Expertise Tössbrücke Wila

Kanton Zürich | Schweiz | dsp Ingenieure + Planer AG
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Die 1952 erstellte, schiefwinklige Brücke überspannt die Töss bei Wila als Einfeldträger mit einer Spannweite von 29,60 Metern. Der Überbau ist als 5-stegiger Plattenbalken ausgebildet und in Längs- und Querrichtung vorgespannt. Für die Vorspannung der Längsträgerstege wurde das System Baur-Leonhardt eingesetzt, welches aus endlosen Litzenschlaufen besteht, die an den Endauflagern um halbkreisförmige Umlenkblöcke geführt werden. Dieses System wurde 1949 von Professor Fritz Leonhardt entwickelt und stammt aus der Pionierzeit des Spannbetonbaus. In der Schweiz wurde es nur bei wenigen Brücken eingesetzt, international wurden allerdings über 150 vorgespannte Brücken mit dem System Baur-Leonhardt gebaut.

Über das Projekt

Die Nachberechnung der Brücke erfolgte im Auftrag Anfrag des Tiefbauamtes des Kantons Zürich. Im Rahmen der Überprüfung der Schubtragsicherheit wurde aufgrund der spezifischen Spanngliedverankerung die Auflagersicherung in einer der spitzen Ecken des Überbaus als ungenügend beurteilt.

Technische Herausforderungen

Der Überbau weist mehrere statisch-konstruktive Besonderheiten auf. Dazu gehören unter anderem eine ungünstige konstruktive Durchbildung der Querkraftbewehrung sowie spezifische Charakteristika des Vorspannsystems und deren Einfluss auf die Tragwirkung im Auflagerbereich. Diese Punkte wurden bei der detaillierten statischen Analyse berücksichtigt.

Die Längsträgerstege sind mit Bügeln schubbewehrt, deren Schenkel nur zum Teil am oberen Querschnittsrand mittels Abbiegung voll verankert sind. Die restlichen Schenkel erfüllen die konstruktiven Anforderungen hinsichtlich Bügelverankerung gemäss der Schweizer Norm nicht.

Der Auflagerbereich des am stärksten belasteten Stegs wurde in mehreren Näherungsstufen mit sukzessive zunehmender Verfeinerung der Analyseverfahren untersucht. Zunächst wurden der Querkraftwiderstand anhand der Bemessungsmethodik für Neubauten gemäss Schweizer Norm SIA 262 abgeschätzt. Um die unzureichende Verankerung der Bügel zu berücksichtigen, wurde dieses Standardverfahren auf Basis von Erkenntnissen aus der wissenschaftlichen Literatur sowie vorhandenen Versuchsergebnissen angepasst. Anschliessend wurden die Analysen mittels detaillierter Fachwerkmodelle weiter verfeinert. In einem letzten Schritt wurde der lokale Kraftfluss mit einer nichtlinearen Finite-Elemente-Analyse (FE) auf der Grundlage von elastisch-plastischen Spannungsfeldern mit IDEA StatiCa Detail analysiert.

Die inelastische FE-Analyse diente als wichtige Verifizierung der Resultate aus den Fachwerkmodellen. Sie ermöglichte eine genauere Berücksichtigung der verteilten Schubbewehrung und ermittelte zugleich die detaillierten Spannungszustände im Beton unter Verwendung der optimalen lokalen Druckfeldneigungen. Aufgrund der expliziten Modellierung des Bewehrungsverbunds berücksichtigt dieser Ansatz ausserdem automatisch die spezifischen Verankerungsbedingungen der Bügel. In diesem Sinne stellte die FE-Analyse eine weitere Verfeinerung der Analysen mit den Fachwerkmodellen dar.

Es war wertvoll, diese Überprüfung in IDEA StatiCa Detail durchzuführen, um die theoretischen Überlegungen zu bestätigen, die wir den Handberechnungen mittels Fachwerkmodellen zugrunde gelegt hatten.
Dr. Martin Bimschas
Dr. Martin Bimschas
Leitender Ingenieur – dsp Ingenieure + Planer AG
Schweiz

Da IDEA StatiCa Detail das Verformungsverhalten und die Dehnungskompatibilität berücksichtigt, lieferte es auch wertvolle Erkenntnisse über den Verformungsbedarf der Materialien. Insbesondere für Bauteile mit geringen Schubbewehrungsgraden können sehr flache Betondruckfelder resultieren. Die damit einhergehenden großen Querdehnungen reduzieren einerseits die Betondruckfestigkeit. Andererseits können die zugehörigen Bügeldehnungen einen kritischen Wert erreichen und dadurch für den Querkraftwiderstand des Trägers massgebend werden. Während beide verformungsabhängigen Effekte in einem Fachwerkmodell nur schwer zu berücksichtigen sind, werden sie in IDEA StatiCa Detail explizit berücksichtigt. Das Programm reduziert die Betondruckfestigkeit in Abhängigkeit vom lokalen Querdehnungszustand und überprüft auch die Bügeldehnungen. Die Implementierung des Zuggurtmodells in IDEA StatiCa Detail erwies sich als wertvoll für die Quantifizierung der Dehnungskonzentrationen in den Rissen und damit für die realistische Abschätzung des Verformungsbedarfs der Schubbewehrung bei geringen Druckfeldneigungen.

Ergebnisse und Massnahmen

Für einen Großteil des Bauwerks konnte anhand der Detailanalysen eine ausreichende Tragsicherheit nachgewiesen werden. Allerdings blieb an einem der 10 Auflagerpunkte ein Tragsicherheitsdefizit bestehen, das auf die unzureichende Verankerung der Biegebewehrung über dem Lager zurückzuführen war. Diese konzeptionelle Schwachstelle wurde mit einer speziell entwickelten Verstärkungsmaßnahme ertüchtigt, um einen sicheren Weiterbetrieb für die Restnutzungsdauer des Bauwerks zu gewährleisten. Als Verstärkung des betroffenen Auflagerbereichs wurde eine Stahlkonstruktion im Sinne einer externen Biegebewehrung zur Aufnahme der Längszugkraft infolge Querkraft ergänzt. Der Verbund mit dem Bestand wurde dabei mechanisch mittels durchgebohrter Gewindestangen und eingeklebter Dübel sowie durch eine Kontaktverbindungen zum bestehenden Bauwerkslager und dem Endquerträger hergestellt.

Die Realisierung der Massnahme erfolgte unter Betrieb mit reduziertem Verkehr auf der Brücke. Die gesamte Planung und Bauleitung der Massnahme erfolgte durch dsp. Ebenfalls wurden alle Sondierungen zur Festlegung der detaillierten Bohrpositionen mittels Profometer und Georadar durch dsp durchgeführt.


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